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Michel Foucault: Der Wille zum Wissen
(Sexualität und Wahrheit, Band 1)

 

Der Wille zum Wissen

Wird unsere Sexualität unterdrückt? Werden die Menschen immer perverser? Sollte Sexualität geregelt werden im Hinblick auf unsere Bevölkerung? Kann ich durch meinen Sex erkennen, wer ich selbst bin?

Michel Foucault vermutet hinter solchen Aussagen oder Fragen Strategien (er nennt diese "Dispositive"), die uns zu Bekenntnissen zwingen, uns kontrollieren, disziplinieren und uns als Subjekte konstruieren. Sexualität wird für Foucault nicht unterdrückt, sondern produziert. Perversionen gibt es nicht "von Natur aus"; "Normalität" wird institutionell hervorgebracht (z. B. durch Pädagogen, Psychiater, Psychologen, Sexologen, Mediziner und andere "Wissenschaftler"). Sogenannte "Perversionen" werden auf verschiedenen Ebenen (z. B. wissenschaftlich) gesellschaftlich produziert, um sie anschließend einordnen und analysieren zu können. Menschen mit einer abweichenden Sexualität bekommen von diesen Institutionen noch eine feste Identität (z. B. "die typische Homosexuelle", der "typische heterosexuelle Onanierer") und eine Geschichte zugeschrieben, die sie fesselt und unbeweglich macht. Globale Strategien (Inzestverbot, Geburtenrate usw.) sollen unsere "Sexualität" kontrollierbar machen und steuern. Diese großen biopolitischen Bevölkerungs-Strategien sind unter anderem auch für den Rassismus in modernen Gesellschaften verantwortlich. Die angebliche Repression ("Repressionshypothese") ist nur eine Taktik der Macht, um die Individuen auszufragen und damit an ihrer eigenen Kontrolle zu arbeiten. Foucaults Analysen moderner Sexualität setzen beim Ende des 18. Jahrhunderts an, das er als eine Wende im Denken begreift.

Marc-Christian Jäger