Der
Untertitel von Foucaults bekanntestem Buch "Überwachen
und Strafen - Die Geburt des Gefängnisses" läßt
kaum die Reichweite seiner Analysen erkennen. Hier wird nicht nur
die Entstehung der modernen Strafjusitz beschrieben, welche die grausamen
Marterrituale des 17. Jahrhunderts ablöst, sondern anhand von
reichhaltigem Archivmaterial wird aufgezeigt, wie das moderne Disziplinarsubjekt
entsteht. Durch ein ausgeklügeltes System von Kontrolle und Disziplinierung
sowie durch die Organisation und die Architektur von Institutionen
(z.B. von Schulen, Gefängnissen, Spitälern, Psychiatrien,
Klöstern usw.) wird der Mensch so lange normiert, normalisiert
und einteilbar gemacht, bis er zu seinem eigenen Überwacher wird.
Dieses "panoptische Verfahren" der permanenten Selbstüberwachung,
das schon einen Vorläufer in den christlichen Beichtpraktiken
hatte, schreibt sich in unsere Körper ein: "Die Seele: Gefängnis
des Körpers". Leben wir heute schon in einer Disziplinargesellschaft,
in der wir uns selbst zum penibel überwachenden Gefängniswärter
machen? Haben wir die wenigen grausamen Marterspektakel gegen ein
System der ständigen (Selbst-) Kontrolle und Disziplinierung
eingetauscht?
Marc-Christian
Jäger